Stephan Maus

Emmanuel in Hamburg

Die Sherpas hatten ihn gelangweilt. Merkel hatte ihn gelangweilt. Alle waren so langweilig. Er war froh, als ihn die Kolonne von den Messehallen zurück ins Mövenpick im Schanzenpark brachte. Allein saß er oben in dem alten Wasserturm. So musste sich Rapunzel gefühlt haben. Verrückte Deutsche mit ihren verdammten Märchen.

Er stahl sich aus dem Schanzenturm. Immer der Musik nach. Es roch nach Feuerwerkskörpern und Döner. Wie es sich wohl anfühlte, jung zu sein? Er hatte das Gefühl, als hätten sie ihn direkt aus dem Kindergarten in den Élysée-Palast gewählt. Er streifte umher. Niemand erkannte ihn.

Plötzlich sah er sie. Sie sass auf einem Autodach. Die Arme erhoben, hinter ihr die Masse. Wie auf dem Revolutionsbild von Eugène Delacroix: “La Liberté guidant le Peuple”. Aus dem Lausprecher hinter ihr kam “Get Lucky”.

Später, am Bismarck-Denkmal, küssten sie sich. Sie ließen sich die ganze Nacht treiben, die nächste und übernächste auch. In der Roten Flora versorgten sie einen Verletzten und aßen ein veganes Curry. “Vokü”, flüsterte Liberté. Und dann nahm man sie ihm. Steckte sie in die Gefangenensammelstelle in Harburg.

Er konnte es nicht ändern. So war das. Als eine Woche später der amerikanische Präsident zu Besuch in Paris war, ließ Emmanuel die Militärkapelle auf den Champs-Elysées “Get Lucky” spielen. Mehr konnte er nicht tun für Liberté. Trump verzog keine Miene.

Es war ihm egal. In seinem Herzen bebten noch die Hamburger Nächte. Er musste lächeln.