Stephan Maus

Sa Dingding: Die Traumfängerin (stern)

Ihre Kindheit verbrachte sie in einer mongolischen Jurte, heute mixt sie fernöstliche Klänge mit westlichen Elektrobeats. Sa Dingding könnte der erste asiatische Popstar werden, der den Weltmarkt erobert

Chinas neue Geheimwaffe kommt aus dem Land der Pferdekopfgeige.

“Bis ich sechs Jahre alt war, lebte ich mit meiner Nomadengroßmutter in der mongolischen Grassteppe. Ich habe wundervolle Erinnerungen an diese Zeit. Jeden Tag hörte ich Gesang. Jeden Tag erfüllten die Klänge der Pferdekopfgeige meine Ohren. Ich lebte zusammen mit den Tieren und spielte mit ihnen. Wenn ich heute den Tiergeruch rieche, fühle ich mich wohl. Ich lebte in einer Jurte. Jedes Frühjahr kaufte meine Großmutter junge Pferde und Schafe und brachte sie zum Weiden in die Steppe. Im Winter brachte sie die Tiere zurück in die Stadt und verkaufte sie. Jedes Jahr zogen wir an einen neuen Platz. Diese Tage lehrten mich, dass Musik Freiheit bedeutet.”

Sa Dingdings Kindheitserinnerungen werden vom Klicken ihrer Ohrringe begleitet. Die langen Perlenschnüre erinnern an die Gehänge, die von den Deckenlampen in Chinarestaurants herabbaumeln. Die 24-Jährige unterstreicht ihre nomadische Herkunft mit selbst entworfenen Ethno-Kleidern im Tibet-Stil. Im kühl designten Londoner Konferenzraum ihrer Plattenfirma Universal wirkt die Chinesin wie ein Traumfänger auf zwei Beinen.

Pures Gold aus China

Das Reich der Mitte birgt wertvolle Rohstoffe. 2006 stießen die chinesischen Trend-Scouts der Universal in Peking auf pures Gold: Sie hörten das selbst produzierte Demotape einer bildschönen Halbmongolin, die tibetische und mongolische Klangwelten mit Elektromusik mixte und dazu außergewöhnlich gut tanzen konnte. Wie sollte man die Klangfarbe von Sa Dingdings Sopran beschreiben? Leicht angeräuchert vom abendlichen Lagerfeuer in der Jurte? Oder eher gut trainiert von Karaoke-Abenden inmitten eines Trupps neonbleicher Peking-Girls?

Nachdem der Plattenvertrag unterzeichnet war, wurden die Songs noch einmal aufgenommen. 2007 erschien “Alive”, das erste chinesische Ethno-Folk-Album mit Elektrobeats. Sa Dingding singt auf Mandarin, Mongolisch, Tibetisch und Sanskrit. Je heiliger der Text, desto besser. Im Titelstück rezitiert sie das buddhistische 100-Silben-Mantra. Dazu setzen Soundbytes aus dem Laptop Yeti und Yak unter Strom. Pferdekopfgeige und Wölbbrettzitter flechten Lokalkolorit in die synthetischen Klangteppiche.

Alles lief wie am Schnürchen. In Asien verkaufte sich das Album zwei Millionen Mal. Inzwischen ist Sa Dingding sogar Romanfigur. Der Autor Cai Jun war von ihrem Gesang betört und gestand ihr: “Deine Musik hat meine Fantasie angeregt. Ich möchte über dich schreiben.” Das Ergebnis hat sich mehr als 800.000 Mal verkauft. Sa Dingding tritt in den Mystery-Thrillern als geheimnisvolle Sängerin auf, die in die Zukunft blicken kann. Die Kindfrau, die ihre Videos mit Buddha- Gesten aufpeppt, freut sich: “Es ist sehr gut, wenn meine Musik die Fantasie anderer Künstler erleuchten kann.”

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