Stephan Maus

Manuel Andrack: ‘Fickt Euch!’ (stern)

Bierbotschafter und Wanderpapst - Manuel Andrack gilt als Spießer. Zeit für einen Image-Wechsel: Jetzt gibt er “Die Ruhe der Schlammkröte” heraus, den Punk-Roman des Barmanns seiner Ex-Stammkneipe

Sie geben einen Punkroman heraus, “Die Ruhe der Schlammkröte” von Guy Helminger, und versehen ihn mit Fußnoten. Fühlen Sie sich noch immer als Punk?

Klar. “Für immer Punk möchte ich sein”, singen die Goldenen Zitronen.

Was bedeutet Punk für Sie?

Ich definiere das über die Musik. Ich probe mit meinen Töchtern, wie man Pogo tanzt. Ich sag denen, dass sie hochspringen sollen, weil sie sonst begraben werden.

Wo sollen die Pogo tanzen? Ihre Töchter sind 13 und 15, auf eine Ü40-Party kommen die noch nicht.

Unverschämtheit. Ich war immerhin auf dem “Offspring”-Konzert. Da hat sich der alte Sack an die vorderste Front gestellt. Da tropfte der Schweiß von der Decke. Nach drei, vier Songs mussten einige an die frische Luft. Ich aber: “So, komm, wat is’?” Das Buch

Was war noch mal der Sinn von Pogo?

Da ist natürlich das destruktive Element: Man will andere Leute stürzen sehen. Aber ich finde auch, dass es eine adäquate Form des Ausdruckstanzes ist. Wir sind einfach eine Lost Generation, was Tanzkurse angeht. Meine Tochter dagegen begleite ich jetzt zum Abschlussball.

Deprimiert Sie diese neue Biederkeit?

Nö. Ich finde es nur erschreckend, wie wenig sich meine Töchter musikalisch von mir absetzen können. Die eine ist Tokio Hotel-Fan, und wenn ich das mit Boygroups oder Techno vergleiche, finde ich das okay. Die Gitarren sind laut, der Sänger kreischt, alles völlig okay.

Sie definieren Punk über Musik. War Punk nicht auch eine anti-bürgerliche Haltung?

Ja schon. Aber Gott, kein Mensch von uns kam aus der Arbeiterklasse. Und das pure 70er Punk-Ding aus den Londoner Straßen war zu “Schlammkröten”-Zeiten schon eine historisierende Attitüde.

Aber “Spießer” war damals immer noch ein Schimpfwort?

Das ist richtig. Das hat sich sehr geändert. Damals verschwendete man seine Zeit. Allein, dass man sich die Rübe voll soff. Das war ja nichts Produktives.

War Ihre Zeitverschwendung mit einer Protesthaltung verbunden?

Nein. Das war einfach Gedankenlosigkeit. Das kam aus der typischen bundesrepublikanischen 80er-Jahre-Unbesorgtheit. Man hatte dieses beruhigende Bewusstsein: Irgendwann hast du einen Job. Und wahrscheinlich hast du auch irgendwann eine Familie. Die Gewissheit hat man heute nicht.

(Vollständiges Interview auf stern.de)